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Raus aus Köln

Geschichte mit allen Sinnen erleben

Susanne Neumann-KölnerLeben Ausgabe 4/2016 · 04.12.2017

Foto: Ludger Ströter/LVR

Foto: Ludger Ströter/LVR

Vierzehn Museen mit einem reichen Angebot an Geschichte, Kultur und Kunst unterhält der Landschaftsverband Rheinland. Sie sind ein lohnendes Ausflugsziel und laden zum Erleben und Mitmachen ein.

Achtung! Nase zuhalten!“ Das Schulkind, das den umstehenden Klassenkameraden lautstark diesen Rat erteilt, weiß schon, was nun passiert: Stinkender Qualm quillt unter dem glühenden Hufeisen hervor, das Schmied Dieter Knoll mit der Zange auf den rechten Vorderhuf von Stute Belinda drückt.

Das Ardenner Kaltblutpferd ist als Zug- und Rückepferd im Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Kommern im Einsatz und muss regelmäßig neu beschlagen werden. Zweimal in der Woche kommt der Schmied auf das rund 100 Hektar Land umfassende Museumsgelände. Dann können ihn die Besucher in seiner über 100 Jahre alten Schmiede bei seiner Arbeit erleben: Da müssen nicht nur Hufe gepflegt und beschlagen, sondern auch mal Teile von Ackergeräten bearbeitet oder ein Eisenring für ein Wagenrad gefertigt werden.

Die Schmiede, ein kleines Häuschen mit offener Feuerstelle, Ambossen und einem überdimensionalen Blasebalg, den der Schmied von Hand betätigt, steht mitten in der Baugruppe „Westerwald/Mittelrhein“. Teilweise mehrere Jahrhunderte alte Häuser und Gebäudeteile aus der Region wurden hierher transportiert und als begehbare, ländliche Baudenkmäler zu einer dörflichen Siedlung zusammengefügt. Auch die Schmiede stand bis 1966 in der Loreleygemeinde Bornich im rheinischen Westerwald und wurde dann für 800 DM an das Museuum verkauft.

Spazierwege durch bewirtschaftete Wälder und Wiesen und vorbei an Bauerngärten führen die Besucher zu weiteren Gebäudeensembles, die nach ihren regionalen Ursprüngen „Eifel/Eifel-Vorland“, „Niederrhein“ oder „Bergisches Land“ benannt sind. Überall kann der Besucher das alltägliche Leben und Arbeiten auf dem Land in früherer Zeit erspüren. Schmied, Stellmacher, Korbflechterin, Hauswirtschafterin, Bäuerin, ein Schafscherer und sogar die Mausefallenkrämerin führen ihre traditionellenArbeiten vor und erklären verständlich den geschichtlichen Hintergrund.

Typisch 1970er: Einbauküche in Knallorange

Kommern erlaubt auch einen Blick auf die jüngere Vergangenheit. Seit letztem Jahr kann man sich in einem original eingerichteten Quelle-Fertighaus samt Ford Taunus 17M in der Garage und Hollywood-Schaukel auf der Terrasse in die 1960er- und 70er- Jahre zurückversetzen lassen. Zum Heimischfühlen lädt auch ein Bungalow von 1958/59 mit einem Chippendale-Wohnzimmer und einer – zumindest damals – schicken Einbauküche in Knallorange ein. Zur Stärkung und Erholung lädt die „Gastwirtschaft Watteler“, die einst ihre Gäste in Eschweiler über Feld bei Nörvenich begrüßte. Der Landwirtschaftsmeister des Museums, Karl-Heinz Hucklenbroich, kommt aus dem Ort und jobbte als Teenager selbst hinter der Theke. Als sie im Jahr 2007 abgerissen werden sollte, stellte er den Kontakt zwischen der letzten Wirtin und dem Museum her und initiierte damit den Umzug des Hauses samt Inventar nach Kommern.

Römisches Rheinland rekonstruiert

Die Reise durch die Freilichtmuseen führt weiter an den Niederrhein nach Xanten. Das archäologische Freilichtmuseum entführt seine Besucher ins römische Rheinland des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Christus. Der Archäologische Park Xanten (APX) wurde über den Mauerresten der einstigen römischen Stadt „Colonia Ulpia Traiana“ errichtet, die in der Nähe eines Legionslagers am Niedergermanischen Limes entstanden war. Um 100 n. Chr. verlieh Kaiser Trajan der inzwischen zur Metropole herangewachsenen Siedlung die römischen Bürgerrechte und erhob sie so zu einer Colonia.

Archäologischer Park, RömerMuseum in Xanten
Foto: Axel Thünker

Das damalige urbane Leben mit Stadtmauer, Hafentempel, Herberge samt eigenem Badehaus und Taverne, Amphitheater sowie Wohn- und Handwerkerhäusern wurden in Originalgröße wieder aufgebaut. Die Rekonstruktionsbauten vermitteln eine detaillierte Vorstellung vom Leben in der römischen Provinz. Auch an regnerischen Tagen lohnt sich ein Ausflug in den Park: Im Jahr 2008 wurde auf dem Gelände das LVR-RömerMuseum eröffnet. Es ermöglicht einen faszinierenden Gang durch die römische Geschichte Xantens – vom Einmarsch der Legionen über die Entstehung der zivilen Großstadt bis zum Untergang in der Spätantike. Gezeigt wird das Leben der Germanen ebenso wie das der Legionäre. Das Museum beherbergt eine bedeutende Sammlung an Waffen und Ausrüstung der römischen Armee. Neben Teilen von Körperpanzern, Schwertern, Pfeil- und Lanzenspitzen ist auch das besterhaltene Geschütz der Antike ausgestellt. Auch hier kann Geschichte direkt erlebt werden: Exponate zum Anfassen, Ausprobieren und Schnuppern, Hörspiele und viele Stationen für Kinder. Apropos Kinder und solche, die es geblieben sind: Auf dem Gelände gibt es auch noch ein römisches Spielehaus, in dem antike Brett- und Geschicklichkeitsspiele darauf warten, gespielt zu werden: Mühle zum Beispiel oder Backgammon!

 

Kategorien: Leben in Köln , Raus aus Köln