Finanzen
Elternunterhalt: Wann Kinder für ihre Eltern zahlen müssen
Verbraucherzentrale · 04.09.2024
Wie viel Kinder an ihre pflegebedürftigen Eltern zahlen müssen, hängt von ihrem Einkommen ab. Foto: geralt / Pixabay
Müssen Kinder für die Pflege der Eltern immer zahlen?
Irgendwann kommen die meisten Senioren zu dem Punkt, an dem sie den Alltag nicht mehr alleine bewältigen können – sie werden pflegebedürftig. Doch Pflege im Alter ist teuer, besonders eine Heimunterbringung kostet schnell mal zwischen 4.000 und 6.000 Euro im Monat. Wenn Pflegeversicherungen, Rente und Vermögen diese Kosten nicht abdecken, sind die nächsten Angehörigen gefordert. Oft heißt das: Kinder haften für ihre Eltern.
In vielen Fällen übernimmt der Nachwuchs die Verantwortung freiwillig und regelt die Pflege der Eltern unter sich. Oder die Eltern sorgen früh vor und treffen Vorkehrungen, etwa durch den Hausverkauf oder durch Umzug in Einrichtungen für altengerechtes Wohnen.
Wer ruft zum Elternunterhalt auf? Und wer ist verpflichtet?
Reichen Rente, eigenes Vermögen und Leistungen aus der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungen nicht aus, um die Kosten für das Heim oder Pflegedienste selbst zu zahlen, springt zunächst der Sozialstaat mit der Leistung „Hilfe zur Pflege“ ein und streckt die Kosten vor. Zuständig ist das örtliche Sozialamt.
Das Sozialamt prüft
Das örtliche Sozialamt prüft dann, wer für den Unterhalt eines Pflegebedürftigen aufkommen muss. Es schreibt nur bei einem Verdacht auf hohe Einkünfte die Kinder an und verlangt, dass diese ihr Einkommen und Vermögen offenlegen. Aber es gibt Entwarnung in den meisten Fällen: Seit Anfang 2020 regelt das „Angehörigen-Entlastungsgesetz“, dass Kinder für ihre pflegebedürftigen Eltern nur noch dann Unterhalt zahlen müssen, wenn sie ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro haben. Haben Kinder ein darüber liegendes Einkommen, fordert es im Anschluss jedoch von ihnen Leistungen zurück. Den Anspruch auf Elternunterhalt machen also in aller Regel gar nicht die Eltern selbst geltend, sondern der Sozialhilfeträger.
Was gehört zum Jahresbruttoeinkommen?
Zum Einkommen kann unter Umständen mehr zählen, als nur das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Bei dem Gesamteinkommen können auch sonstige Einkünfte, zum Beispiel aus Vermietung und Verpachtung, dazu gehören. Das Gesamteinkommen wird also dadurch berechnet, dass alle Einkünfte zusammengezogen werden. Vorhandenes Vermögen wird dabei nicht berücksichtigt. Bei der Berechnung des Gesamteinkommens werden steuerliche Abzüge, wie der Kinderfreibetrag, nicht berücksichtigt.
Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, Ausgaben geltend zu machen und dadurch das Einkommen zu reduzieren. Die Berechnung des Gesamteinkommens ist immer ein Einzelfall, so dass man unbedingt rechtlichen Rat einholen sollte. Erkundigen sollte man sich bei der Verbraucherzentrale des Bundeslandes, ob diese eine solche rechtliche Beratung anbietet.
Für wen gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz nicht?
Das Gesetz mit der 100.000-Euro-Grenze gilt nicht für gegenseitig unterhaltspflichtige Ehegatten. Kommt einer ins Pflegeheim, muss sich der andere an den Heimkosten beteiligen. Eine Entlastung ist hier nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber meint, dass die Ehe oder Partnerschaft eine besondere gegenseitige Einstandspflicht begründet. Daher muss weiterhin auch dann Unterhalt gezahlt werden, wenn das Einkommen unterhalb der 100.000-Euro-Grenze liegt. Hierzu müssen die Ehe- oder Lebenspartner neben dem Einkommen auch Vermögenswerte einsetzen. Ein Vermögen von insgesamt 20.000 Euro bleibt anrechnungsfrei.
Nur die Kinder werden vom Sozialamt befragt?
Ja, denn das Sozialamt kann nicht die Enkelkinder zu Unterhaltszahlungen heranziehen. Auch Geschwister, Cousins, Cousinen, Onkel und Tanten müssen nicht finanziell füreinander einstehen. Auch Schwiegerkinder sind mit ihren Schwiegereltern nicht verwandt und damit auch nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet.
Höhe des Unterhalts
Der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder wird nach den Vorschriften des Zivilrechts berechnet. Sollte mindestens ein Kind mehr als 100.000 Euro verdienen, wird die Höhe des Unterhalts nach den entsprechenden Leitlinien berechnet, zum Beispiel nach der Düsseldorfer Tabelle. Was die Eltern dann trotz des eventuellen Unterhalts ihrer Kinder immer noch an Geld für die Pflege brauchen, übernimmt das Sozialamt.
Wann entfällt der Unterhaltsanspruch dennoch?
Haben die Eltern sich wegen sogenannter erheblicher Verfehlungen gegen das Kind schuldig gemacht, haben sie einen geringeren bis gar keinen Unterhaltsanspruch. Von Bedeutung sind vor allem Zeiten, in denen sie für das Kind selbst noch verantwortlich waren. Darunter können zum Beispiel Fälle von Misshandlungen oder grober Vernachlässigung fallen – ein abgebrochener Kontakt dagegen reicht meist nicht aus.
Können Eltern auf Zahlungen verzichten?
Viele Senioren wollen ihre Kinder nicht finanziell belasten und deswegen keinen Elternunterhalt einfordern. Diese Wahl haben sie aber nicht, wenn sie für Pflegeleistungen, die sie nicht selbst bezahlen können, öffentliche Gelder in Anspruch nehmen müssen. Eltern können ihre Kinder dann nicht aus der Verantwortung für Unterhaltszahlungen nehmen. Der Staat muss den Unterhalt einfordern, wenn der Nachwuchs unterhaltspflichtig ist. Auch Abfindungen oder sonstige Vereinbarungen, die Unterhaltsansprüche reduzieren, sind nicht wirksam.
Ein Sonderproblem: Rückforderung von Schenkungen
Das Gesetz sieht vor, dass verarmte Menschen, die in den letzten zehn Jahren vor der Verarmung etwas verschenkt haben, dieses zurückholen dürfen. Der Sinn ist klar: Durch diesen Anspruch sollen sie davor gerettet werden, ihre Wohnung zu verlieren oder nichts mehr zu essen zu haben. In der Regel macht dies aber keiner geltend. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie diesen Anspruch haben. Wenn allerdings der Staat der bedürftigen Person durch Sozialleistungen beispringt, kann er diesen Rückforderungsanspruch geltend machen. Er fordert dann bei dem Beschenkten das Geschenk zurück.
Das kann sogar ein verschenktes Haus betreffen, aber auch monatliche Einzahlungen auf ein Sparkonto. In einem zu entscheidenden Fall des Oberlandesgericht Celle hatte eine Großmutter für ihre Enkelin seit der Geburt über mehrere Jahre einen monatlichen Betrag auf ein Sparkonto angespart. Das Gericht entschied 2020, dass solche geschenkten Beiträge zurückgezahlt werden müssen, wenn sie offensichtlich dem Kapitalaufbau dienen. Das war bei diesem Sachverhalt der Fall. Nur, wenn es sich um eine so genannte privilegierte Schenkung oder Anstandsschenkung handelt, ist die Schenkung von dem Rückforderungsanspruch ausgenommen.
Anstandsschenkungen sind kleine und übliche Geldgeschenke wie beispielsweise zu Geburtstagen, Weihnachten oder zu anderen wichtigen Ereignissen wie Heirat oder Geburt. So hatte das Landgericht Aachen in den Taschengeldzahlungen einer Großmutter eine Anstandsschenkung gesehen, und lehnte den Anspruch in seinem damaligen Fall ab. Letztendlich muss immer im Einzelfall geprüft werden, welche Art der Schenkung vorliegt.
Fazit: Es ist kompliziert
Die Rechtslage in diesem Bereich ist kompliziert. Zum einen zeichnet sie sich dadurch aus, dass der Einzelfall entscheidend ist. Zum anderen kommt es in bestimmten Fällen zu Ausnahmen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Im Zweifel sollten Sie sich daher Rechtsrat bei einem Fachanwalt für Sozialrecht holen.
Die wichtigsten Punkte zum Thema Elternunterhalt zusammengefasst
- Seit dem 1. Januar 2020 sind Kinder ihren Eltern erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro zum Unterhalt verpflichtet.
- Entscheidend für die Prüfung der Einkommensgrenze ist nur das Einkommen des Kindes. Sollten Kinder also zusammen mit dem Einkommen ihres Ehepartners auf mehr als 100.000 Euro kommen, verpflichtet das nicht zum Unterhalt für die Eltern
- Den Anspruch auf Elternunterhalt machen in aller Regel Sozialhilfeträger geltend und fordern, dass Kinder ihr Einkommen und Vermögen offenlegen.
- Wenn Kinder keinen Unterhalt für Ihre Eltern zahlen müssen oder der gezahlte Unterhalt reicht nicht für alle Kosten, bekommen die Eltern Sozialhilfe.
Sozialhilfe: Wann sich das Sozialamt an Pflegekosten beteiligt
Das könnte Sie auch interessieren:
Leistungen und Pflegegrade der Pflegeversicherung
Grundsicherung: Wenn die Rente nicht reicht
Stationäre Pflege: Wir brauchen mehr Heimplätze