A- A A+

Leben in Köln

Mode für mich

lvp · 05.01.2019

Laura Christ in einem einfach geschnittenen Shirt mit Ärmeln aus Spitzenstoff. Dass sie ihr genau passen, liegt daran, dass Dreiviertel-Ärmel zurzeit im Trend liegen.Frischer Look mit wenig Farbe: Die sparsam gesetzten Applikationen in Rot machen die dunkle Jacke von Ahad Amirpur zum Hingucker.
Laura Christ (links) in einem einfach geschnittenen Shirt mit Ärmeln aus Spitzenstoff. Dass sie ihr genau passen, liegt daran, dass Dreiviertel-Ärmel zurzeit im Trend liegen. Ahad Amirpur (rechts) trägt frischen Look mit wenig Farbe: Die sparsam gesetzten Applikationen in Rot machen die dunkle Jacke zum Hingucker. Fotos: Thilo Schmülgen

IM PORTRÄT:

Ahad Amirpur hatte vor zwölf Jahren eine Gehirnblutung. Zurückgeblieben ist eine Einschränkung der linken Körperhälfte. Der 56-Jährige ist auf den Rollstuhl angewiesen und lebt in einer Wohnung mit angeschlossenem Pflegedienst. Amirpurs Kleiderschrank ist voll: links die Poloshirts, daneben die Hemden, dann die Jacken – von allem reichlich.

Schwarz hat Klasse: Ahad Amirpur kombiniert eine schwarze Jeans mit weißem T-Shirt. Perfekt ergänzt durch die schwarze glänzende Jacke samt dezenten Streifen sowie aufgesetzten Taschen wirkt alles edel und sportlich. Foto: Thilo Schmuelgen

„Ich habe gerne eine Auswahl. Und so viel finde ich das alles gar nicht. Jede Frau hat sicherlich mehr Schuhe als ich mit meinen neun Paar (lacht). Manche Sachen ziehe ich oft an, andere so gut wie nie. Also eigentlich trage ich fast immer dasselbe. Ich mag weiße Hemden, aber auch schwarze. Karierte und gestreifte Muster habe ich auch. Und diesen Sommer habe ich gerne eine pinkfarbene Hose getragen.

Wie mein Stil ist? Ich trage das, was andere auch tragen. Lässig würde ich es nennen. Als ich damals die Gehirnblutung hatte, trug ich eine Zeit lang nur Jogginghosen, die meine Familie mitgebracht hatte. Aber die haben wir nach und nach ausgetauscht – gegen normale Jeans eben. Habe ich früher auch getragen. Denn nur weil ich im Rollstuhl sitze, muss ich mich nicht anders anziehen als vor der ganzen Geschichte. Mein Geschmack hat sich dadurch ja nicht verändert. Nach wie vor möchte ich gepflegt aussehen – für mich und für andere.

Ich habe schon immer Wert gelegt auf Kleidung, aber sicher nicht übermäßig. Heute muss ich meine Jeans eine Nummer größer kaufen, damit sie am Bauch nicht zwicken. Um Druckstellen mache ich mir keine Sorgen, weil ich nicht die ganze Zeit sitzen muss. Ich kann ja zumindest allein aufstehen und von meinem Elektro-Rolli in den wechseln, den ich zu Hause benutze. Kleidung speziell für Rollstuhlfahrer, die ich kenne, finde ich altbacken.

Zum Einkaufen fahre ich in die Stadt. Im Internet kaufe ich so gut wie nichts, weil ich das Material anfassen möchte. Dann weiß ich genau, ob ich das tragen möchte oder nicht. Was ich kaufe, muss mir erstens gefallen und zweitens bezahlbar sein. Wenn es mit dem Rolli zwischen den Kleiderstangen und Regalen zu eng ist und ich an die Sachen nicht drankomme oder Hilfe beim Anprobieren brauche, dann spreche ich die Verkäufer an. Manche sind dann zuerst verunsichert oder haben Berührungsängste, aber wenn man es nett verpackt, klappt es schon.“

Kleinwüchsige Cousine war Ansporn

Andere Klein-Unternehmer haben in ihrer Familie mitbekommen, woran es fehlt. Etwa die Designerin Sema Gedik. Die Berlinerin fing als Studentin an, ihren Fokus auf Mode für Kleinwüchsige zu lenken, weil ihre kleinwüchsige Cousine beim Einkaufen Probleme hatte, passende und schöne Mode zu finden. Auch die Kinderabteilung ist nichts für Kleinwüchsige, denn die Körpergröße stimmt zwar, aber die Proportionen sind anders. Ganz abgesehen davon, welcher Erwachsene kauft schon gerne für sich in der Kinderabteilung ein?

Gedik hat hunderte Menschen mit den häufigsten Kleinwuchsformen vermessen und darauf aufbauend die erste Konfektionstabelle erstellt. Ihre Kleidung soll trendy sein und passen, damit der Schneider sie nicht zusätzlich ändern muss. So hat die Berlinerin vor zwei Jahren ihr Modelabel „Auf Augenhöhe“ gegründet, das Kleidung für Kleinwüchsige vertreibt – bei schätzungsweise 100.000 Kleinwüchsigen dürfte das eine Marktlücke sein. Seit April dieses Jahres bietet sie ihre Kollektion online an. 

Maßanfertigungen von der Schneiderin

Wieder andere Hersteller verkaufen nur im Atelier – wie die Designerin und Schneiderin Isabell Herzogenrath aus Dormagen. Kinder, Erwachsene und Hochbetagte zählen zu ihren Kunden. Die älteste Kundin ist 94 Jahre alt. Sie kommen mitunter aus Köln und von noch viel weiter her. Herzogenrath fertigt nach Maß für verschiedene Handicaps: Neben Rollstuhlfahrern zählen Menschen mit Contergan- Schädigungen, Down-Syndrom und unterschiedlichen Spastiken zu ihren Kunden. „Das erste Mal kommen viele, weil sie sich für einen besonderen Anlass, etwa für die Hochzeit der Tochter, etwas Besonderes leisten und auch etwas mehr Geld ausgeben wollen“, so Herzogenrath.

Wichtig bei der Arbeit der Schneiderin ist vor allem Zuhören: „Was die Menschen brauchen und mögen, darauf kommt es an. Manche müssen sich erst öffnen, um ihre Wünsche sagen zu können, was Zeit braucht.“ Bis ein Kleidungsstück fertig ist, dauert es etwas. Zur Anprobe fährt Herzogenrath bei Bedarf zu ihren Kunden nach Hause. Weil der Aufwand höher ist, kostet eine Hose natürlich mehr als 50 Euro.

Geht es auch günstiger?

Adaptierte Kleidung langfristig einfacher und günstiger herstellen zu lassen und im Verkauf günstiger anzubieten, davon träumt Kathleen Wachowski aus Weimar. Sie dachte über neue Produktions-, Vertriebs- und Marketingformen nach. Unter anderem mit Austausch, Vernetzung und Sichtbarmachung kleiner Unternehmen. „Denn viele Menschen mit Behinderung wissen gar nicht, dass es die ganz kleinen Unternehmen überhaupt gibt“, sagt sie.

Also hat Wachowski über Jahre hinweg an einem Konzept dafür geackert. Auf ihrer Agenda stand der Aufbau einer internationalen Kommunikationsplattform für Mikro-Unternehmer sowie Forscher und Fachleute aus dem Behindertenbereich. Auch ein Verein war schon gegründet. „Doch die EU hat nicht die erhofften Fördergelder bewilligt“, erzählt sie. Aufgegeben hat Wachowski ihren Traum dennoch nicht, nur auf Eis gelegt. „Vielleicht war dieser Plan einfach nur der Zeit voraus“, sinniert sie.

Informationen

Eine große Auswahl an Online-Shops für Gehandicapte findet man in dem Artikel „Mehr als nur praktisch: Kleidung für Rollstuhlfahrer“.

Mode für kleinwüchsige Menschen: www.aufaugenhoehe.design

In der Nähe von Köln:
Isabell Herzogenrath herzogenrath – mode nach maß
mode für „handicapped“
Delhovener Hubertushof
41540 Dormagen
Tel. 02133 / 802 06
www.isabell-herzogenrath.de

Kategorien: Leben in Köln