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Kultur

Kunst zwischen Zäunen und Bäumen

Anne Kotzan · 17.08.2022

Die Installation „Garden Gallery“ (2011) des japanischen Künstlers Sou Fujimoto. Alle Fotos: Bettina Bormann mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Skulpturenpark Köln

Die Installation „Garden Gallery“ (2011) des japanischen Künstlers Sou Fujimoto. Alle Fotos: Bettina Bormann mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Skulpturenpark Köln

Ein alter Traum: Natur und Kunst miteinander verbinden. Das Sammlerehepaar Dr. Michael und Dr. Eleonore Stoffel hat ihn in der Nähe des Zoos verwirklicht – mit einem Skulpturenpark.

„Na so was!", staunen zwei jugendliche Besucher, die soeben ihre Fahrräder am Eingangstor abgeschlossen haben. Sie stehen vor einer Tafel, die verkündet: „Das Abstellen und Anschließen von Fahrrädern an die Arbeit von Edith Dekyndt ,The Fences (Die Zäune), 2015' ist strengstens verboten." Schnell eilen sie wieder nach draußen und ich, neugierig geworden, trete einen Schritt vor, um die Sache genauer anzuschauen.

Durch den Zaun gucke ich über das Konrad-Adenauer-Ufer hinweg auf den gemächlich dahinströmenden Rhein. Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass diese massiven Gitterstäbe bereits ein Kunstwerk sind. Assoziationen fangen an, sich in meinem Kopf breitzumachen: der Zaun als Grenze von Innen und Außen, zwischen Freiheit und Unfreiheit, als Barriere zwischen Kulturen oder zwischen wildem Tier und Mensch - wie im nahen Zoo. Zäune als Symbol der Aus- oder Abgrenzung oder auch des Schutzes.

Ehemaliger Vergnügungspark

Zu Lebzeiten des Ehepaars Stoffel gab es diesen Zaun noch nicht. Doch hatten sie bereits mit Objekten aus ihrer Sammlung auf dem Gelände hinter ihrem Wohnhaus die Basis des heutigen Skulpturenparks angelegt. Mit der Absprache, diesen ehemaligen Teil des Grüngürtels zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hatten sie 1997 den 35.000 Quadratmeter großen Park von der Stadt Köln übernommen. Seit 2008 führt die gemeinnützige Stiftung Skulpturenpark Köln den Wunsch der Initiatoren fort, „ein Ehemaliger Vergnügungspark bleibendes Skulpturenmuseum in freier Natur zu erhalten". Seitdem  ergänzen zahlreiche Exponate die ursprüngliche Sammlung, einige sind Leihgaben, andere stammen aus der alle zwei Jahre stattfindenden Ausstellungsreihe KölnSkulptur und wurden speziell für den Ausstellungsort konzipiert.


Die Installation „Old Eggs and the Catcher“ stammt von der chinesischen Künstlerin Guan Xiao. Foto: Bettina Bormann

Ein erster Überblick, große Rasenflächen überschattet von heimischen und exotischen Bäumen und Sträuchern, eine Symphonie in Grüntönen. Einige der Bäume dürften gut 150 Jahre alt sein. Sie haben das muntere Treiben des einstigen Luna-Parks noch erlebt, eines Vergnügungsparks nach amerikanischem Vorbild: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es hier eine Sommerrodelbahn, Wasserrutsche und ein Lach-Haus, das mit Zerrspiegeln eingerichtet war.

Sprechende Kunst

Heute sind große, teils begehbare Skulpturen auf der Wiese verteilt und fordern zur Begegnung auf. Gleich rechts vom Eingang fasziniert eine riesige Stahlkonstruktion aus vier verschiedenen und nach oben offenen Kreisbögen von Bernar Venet. Aus meiner Perspektive umrahmen sie den Baum und wachsen aus ihren oberen Enden wie zwei starke Äste heraus. Natur und Skulptur gehen eine Symbiose ein.

Bei meiner Entdeckungstour werde ich immer wieder überrascht, ob von einem roten Ohr, das an einen Baumstamm montiert ist, oder einer sprechenden künstlichen Kiefer: einem ehemaligen getarnten Funkmast, der von verloren gegangenen Dingen spricht. Letztere Arbeit von Dane Mitchell ist Teil der aktuellen 10. Ausgabe von KölnSkulptur „Übernatur – Natural Takeover“.

Naturverbundenheit

Ihr Kurator Tobias Berger erläutert: „Es kommt jetzt darauf an, das gesellschaftliche Bewusstsein für die globalen Folgen des wirtschaftlichen Wachstumsstrebens und dessen Auswirkungen auf die Umwelt zu schärfen.“ Der Letzte seiner Art: einsamer George „Lonesome George“ (einsamer George) ist mit nur wenigen Zentimetern die kleinste Arbeit zum Thema.

Vierzehn Jahre lang versuchte man für die letzte Schnecke ihrer Art in einem Labor auf Hawaii eine Partnerin zu finden. Mit ihrem Tod 2019 war sie ausgestorben und Ayşe Erkmen setzte ihr ein Denkmal. Man muss schon sehr genau hinschauen, um die Skulptur zu entdecken. Die Installation „Rübezahl“ aus 130 Baumstämmen wurde als neuer Parkmittelpunkt konzipiert. Einige dienten der Künstlerin Mary Bauermeister als Stühle und gerne nehme ich ihre Einladung an, darauf zu verweilen. Mitten im Verkehrslärm sitze ich in einer grünen Oase und lasse den Ort auf mich wirken. Von Beginn an haben Menschen ihre Kunst mit der Kunst der Natur verbunden. Für mich ein außergewöhnliches Erlebnis, das jährlich etwa 60.000 bis 100.000 Gäste anzieht.

Skulpturenpark Köln
Eingang: Riehler Straße und Konrad-Adenauer-Ufer,
50668 Köln-Riehl,
Eintritt frei

Ausstellung: KölnSkulptur #10,
verlängert bis Juni 2023.
Täglich geöffnet
April–September: 10.30–19 Uhr,
Oktober–März: 10.30–17 Uhr

Öffentliche Führungen jeden ersten Sonntag im Monat um 15 Uhr.
Treffpunkt: Parkeingang Riehler Straße.
Erwachsene 8 Euro/ermäßigt 2 Euro, Kinder bis 10 Jahre kostenlos.
www.skulpturenparkkoeln.de

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Tags: Kunst und Kultur , Parks in Köln

Kategorien: Kultur