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Leben in Köln

Im Reich der Fundstücke

kb · 24.03.2019

Sylke Heckmann, Leiterin des Fundbüros, im Fahrradlager. Fotos: Christian Deppe

Sylke Heckmann, Leiterin des Fundbüros, im Fahrradlager. Fotos: Christian Deppe

Vergessen, verloren oder weggeworfen – im Fundbüro der Stadt Köln lagern viele Tausend Gegenstände.

Hunderte von Schlüsseln hängen neben- und untereinander an einem Brett. Einige mit bunten Bändchen, andere im Etui, manche einzeln. Wie auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen stehen drei Besucher davor und halten Aussicht nach ihrem persönlichen Exemplar. Voller Erwartung und Hoffnung.

Hier im Fundbüro der Stadt Köln werden verloren gegangene Schlüssel gesammelt, damit die rechtmäßigen Besitzer sie abholen können. Aber auch Schirme, Schals und Brillen warten auf ihre Eigentümer. Doch die Schlüssel führen die Hitliste an. Dann folgen Taschen und Dokumente, Handys, Fahrräder und Portemonnaies – die Top 6 der am häufigsten verloren gegangenen Besitztümer.

Die meisten Fundstücke werden über die Polizei abgegeben. Aber auch die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), Kaufhäuser und die Messe „beliefern“ das Fundbüro. „Zweimal wöchentlich machen wir eine Tour und fahren jede Polizei- und KVB-Dienststelle ab“, berichtet Sylke Heckmann, die Leiterin des Fundbüros. „Auf Zuruf holen wir auch Fundstücke beim Odysseum, beim RheinEnergieStadion, bei der Lanxess Arena und anderswo ab.“ Nur wenige Gegenstände werden von Findern persönlich in Kalk abgegeben.

Im Fundbüro fündig werden

Und es kommt eine stolze Anzahl zusammen: 42.000 Gegenstände befanden sich 2017 im Depot. Das macht eine gute Logistik erforderlich, will man im Fundbüro etwas wiederfinden. Für jeden einzelnen abgegebenen Gegenstand legen die 17 Mitarbeiter daher eine Akte an, die gesamte Historie des Fundstücks wird festgehalten: Was wurde wann wo von wem gefunden, besondere Merkmale werden aufgelistet, Geldsummen auf den Cent genau notiert, wobei das Geld selbst in die Kasse eingezahlt wird und nicht im Fundbüro lagert. Jedes Stück wird fotografiert – das ist vor allem wichtig, wenn es sich um kaputte Gegenstände handelt. Und: Alle Fundstücke bekommen eine Nummer.

Schlüsselbrett mit vielen Schlüsseln
Schlüssel führen die Hitliste der Fundsachen an.

Schlüssel werden in den ersten Tagen an der Bretterwand aufbewahrt und kommen dann in eine Box, jedes Handy wird in einer Aktenmappe in einem separaten Schrank einsortiert, Wertgegenstände im Tresor verschlossen. Alles andere wandert ins Depot.

Ein Keller voller Fundstücke

Wer vom Büro im Erdgeschoss die schmale, steile Treppe in den Keller hinabsteigen darf, steht zunächst fassungslos vor den Weiten der Kellerräume, die sich hier öffnen. Unzählige Regale stehen hier: eines für Taschen, eines für Mützen und Schals, eines für Elektrogeräte, Motorradhelme, Spielzeug … und eines für die frisch eingelieferten Sachen. In einer Ecke stehen Regenschirme, in einer anderen Fernseher und Grills, in einer weiteren Kinderwagen und Taschen voller Golfschläger. Ständer voller Jacken und Pullover stehen herum.

Am eindrucksvollsten ist aber die Menge der Fahrräder, die an Haken an der Decke hängen. Platz ist für 750 Fahrräder – fast alle Haken sind belegt. „Wenn jemand seine Badetasche verliert, dann trocknen wir auch die Handtücher und Badesachen. Schließlich soll hier nichts verschimmeln“, sagt Heckmann. Dementsprechend werden natürlich auch verderbliche Sachen wie Lebensmittel aussortiert. „Wir nehmen alles an, was brauchbar ist“, ergänzt sie.

Daniele Ferres vom Fundbüro Köln zeigt Golfschläger
Mitarbeiterin Daniela Ferres zeigt gefundene Golfschläger.

Traurige Bilanz: Nur 30 Prozent der Fundsachen werden tatsächlich abgeholt. „Wenn wir auch nur einen kleinen Hinweis haben, dann ermitteln wir und versuchen, den rechtmäßigen Eigentümer ausfindig zu machen“, berichtet Heckmann. Auch online werden Fundsachen eingestellt.

Wenn sich niemand meldet, werden Fundstücke wie Schirme, Rollstühle und Kleidung nach drei Monaten aussortiert. „Die Finder von Fahrrädern schreiben wir nach sechs Monaten an, ob sie es kaufen möchten. Wenn nicht, kommt es zur Versteigerung. Fremdwährung spenden wir, ebenso Schlafsäcke für die Obdachloseneinrichtung Gulliver“, sagt Heckmann. Hörgeräte – ja, auch die kann oder will man verlieren – werden aufbereitet nach Argentinien geschickt.

Verlust oder Überfluss?

Die Hoch-Zeit des Verlierens sind nicht, wie vermutet, die Karnevalstage, sondern die vorweihnachtliche Zeit auf den Weihnachtsmärkten. Apropos Hoch-Zeit: Eines der derzeit skurrilsten Fundstücke ist ein Hochzeitskleid. Hat es sich die Braut kurzfristig anders überlegt und das Kleid – in Wut auf den Ehemann in spe, in Panik vor der trauten Zweisamkeit oder weil sie einfach ein schöneres gefunden hat – lieblos entsorgt? Soll man gar an spontane Wunderheilungen glauben angesichts der vielen Rollstühle, Rollatoren und Krücken hier im Keller?

„Hinter jedem Fundstück steckt ein Schicksal“, sagt Heckmann – auch wenn das in den meisten Fällen verborgen bleibt. „Allerdings leben wir auch in einer Wegwerf-Gesellschaft“, sagt sie mit Blick auf die Rollstühle. Nach dem Motto: Verliere ich meinen Rollstuhl, bezahlt mir die Krankenkasse einen neuen, moderneren. Das gilt auch für versicherte Fahrräder. Aber sicher nicht für Brautkleider …

Informationen

Fundbüro der Stadt Köln

Kalk Karree (Eingang Dillenburger Str. 25)
Ottmar-Pohl-Platz 1
51103 Köln
Tel. 0221 / 221-0.

Öffnungszeiten: Montag, Donnerstag und Freitag, 8–12 Uhr, Dienstag, 8–12.30 Uhr und 13–16 Uhr, Mittwoch geschlossen.

Termine für Versteigerungen erfahren Sie online im Veranstaltungskalender der Stadt Köln.

Versteigerungsraum

Kalk Karree (Eingang Dillenburger Straße)
Dillenburger Str. 27
51103 Köln

Fundbüro online

Verlorenes online von zu Hause aus suchen kann man auf der Webseite des Fundbüros.

Kategorien: Leben in Köln