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Leben in Köln

Evangelisches Leben in Köln

Günter Leitner · 04.12.2017

Keine Gottesdienste, keine Bestattungen

Tolerierung und rigide Beschränkung wechselten sich ab. Nie jedoch wurde die politisch-rechtliche Stellung der Protestanten der von qualifizierten Bürgern angeglichen. Vor allem durften sie innerhalb der Stadt keine Gottesdienste abhalten. Doch sie waren erfinderisch: So ist überliefert, dass um 1613 die „Schiffergemeinde“ ihre Gottesdienste auf dem Rhein in Schiffsbäuchen abhielt. Sie gehörte zur reformierten Gemeinde in der damals eigenständigen Stadt Mülheim, dem heutigen Stadtteil. Zu der Zeit gab es noch vier weitere protestantische Gemeinden, deren Gesamtzahl an Mitgliedern aber nicht über 300 Personen kam.

Geusenfriedhof
Der Geusenfriedhof im Stadtteil Lindenthal ist ein Zeugnis frühen evangelischen Lebens in Köln. Foto links: Thorsten Wesche. Foto rechts: Evangelische Gemeinde Köln

Den Protestanten war es auch verboten, Bestattungen innerhalb der Stadt durchzuführen. Wie vielfältig dennoch das evangelische Leben in Köln war, zeigt ein Besuch auf dem Geusenfriedhof, Ecke Weyerthal / Kerpener Straße, bei seiner Entstehung 1575 außerhalb der Stadtmauern gelegen. Geusen waren aus den spanischen Niederlanden eingewanderte protestantische Glaubensflüchtlinge. Eine Katholikin, Ursula von Gohr zu Kaldenbroek, stiftete das Grundstück zur Anlage des Friedhofs. Sie schuf damit die einzige Möglichkeit für evangelische Kölner, ihre Verstorbenen auf einem christlichen Friedhof zu bestatten.

Aus Tolerierung wurde Integration

Erst mit der Übernahme Kölns durch die Franzosen im Jahre 1794 entwickelte sich für die Protestanten aus der schmerzhaften Tolerierung rechtssichere Teilhabe. Das Jahr 1802 eröffnete ihnen Glaubens- und Geistesfreiheit mit dem Recht auf freie und öffentliche Wortverkündigung. Sie gründeten die „Evangelische Gemeinde Köln“. Am 23. Mai 1802 feierten sie den ersten Gottesdienst in einem angemieteten Saal der Brauereizunft auf der Schildergasse. Eine 2002 eingelassene Gedenktafel erinnert daran. Bis 1805 wuchs die Gemeinde auf etwa 500 Mitglieder an. Die ebenfalls auf der Schildergasse beheimatete Antoniterkirche wurde ihr erstes eigenes Gotteshaus.

Brauereizunft
Die Bronzeplatte zeigt den Saal der Brauereizunft, zu finden auf der Schildergasse 96, (heute Kaufhaus „emotions“). Dort wurde 1802 der erste genehmigte protestantische Gottesdienst auf Kölner Boden gefeiert. Foto: Evangelische Gemeinde

Der Evangelische Dom wurde 1860 eingeweiht

Nach der Übernahme des Rheinlandes durch die Preußen im Jahre 1815 wuchs die evangelische Gemeinde der Innenstadt kontinuierlich an. Die Gemeindemitgliederzahl der Innenstadt war nunmehr auf rund 6000 Gläubige angestiegen. Der Neubau einer Kirche wurde notwendig. Am 3. Juni 1860 wurde die Trinitatiskirche, gerne auch der "Evangelische Dom" genannt, mit ihren etwa 1000 Plätzen eingeweiht. Beim Luftangriff am 29.Juni 1943 wurde die Kirche im Filzengraben fast vollständig zerstör. Bis 1965 konnte sie wiederhergestellt werden. Neben Gottesdiensten der Gesamtgemeinde steht sie vielen Kulturveranstaltungen offen.

Luther
Die Trinitatiskirche gilt als herausragendes Beispiel für den preußisch-berlinerischen Spätklassizismus. Foto links: Matthias Koss. Foto rechts Kartäuserkirche: Engelbert Broich

Nicht nur einen „Dom“ nennen die Protestanten in Köln ihr Eigen, auch der „Evangelische Vatikan“ zählt zu ihren Vorzeigeeinrichtungen. 1922 tauschte die Evangelische Kirche die Basilika Sankt Pantaleon gegen das ehemalige Kartäuserkloster in der Südstadt ein. Heute ist die Kartause der Sitz des Kölner Stadtkirchenverbandes.

166.000 Protestanten in Köln

Die Protestanten in Köln haben im Laufe der 500-jährigen Geschichte erfahren, dass gesellschaftliche und politische Entwicklungen Auswir­kungen auf das gemeindliche Leben haben. Die Zeitläufte der Industrialisierung und der beiden Weltkriege haben eine große Menge evangelischer Christen in die Stadt gelenkt. Käme Luther heute nach 505 Jahren wieder nach Köln, träfe er auf gut 166.000 Protestanten in 39 Gemeinden.

Laienprediger Luther

Vielleicht würde er aber auch einen Besuch in Bergisch Gladbach einplanen. Dort predigt hin und wieder Jona Luther. Er ist ein Laienprediger und ein Nachkomme des jüngsten Bruders des Reformators. Wahrscheinlich würde dem großen Vorfahren gefallen, was er zu sagen hat: „Man kann nur auf das stolz sein, was man selbst aus seinem Leben gemacht hat! Dafür, dass ich ein Nachfahre aus Martin Luthers Familie bin, schenkt mir heute keiner einen Cent.“



Tags: Geschichte

Kategorien: Leben in Köln