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Raus aus Köln

Vom Matratzenlager zur modernen Unterkunft

Karin Bünnagel-KölnerLeben Ausgabe 1/2017 · 16.03.2017

Baumhäuser von Panarbora/Waldbröl. Foto: Ludolf Dahmen/DJH Rheinland

Baumhäuser von Panarbora/Waldbröl. Foto: Ludolf Dahmen/DJH Rheinland

Nichts ist von Schlafsälen und Putzdiensten geblieben.

"Wir wollten mal wieder Zeit als Familie miteinander verbringen, erzählt Käthe Schäfer, „ein ganzes Wochenende und alle unter einem Dach.“ Ihre Tochter und erwachsenen Enkel in ein Hotel einzuladen, war zu kostspielig für die Porzerin. Die Enkeltochter hatte schließlich die zündende Idee: Gehen wir doch in die Jugendherberge! Seit ihrer Kindheit hat die junge Frau bundesweit Ferienfreizeiten in Jugendherbergen verbracht. „Ich in einer Jugendherberge, mit meinen 78 Jahren?“, das konnte sich Käthe Schäfer zunächst gar nicht vorstellen. Doch dann ließ sie sich überzeugen, gebucht wurde die  Jugendherberge in Wiehl.

Vom Bauern vertrieben

„Unsere Zielgruppe sind in erster Linie junge Menschen“, sagt Annette Rath vom Landesverband Rheinland des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH). Junge Menschen sollen, unabhängig von Herkunft und Geldbeutel, die Welt entdecken, Gemeinschaft erleben und dabei den Horizont erweitern – das ist bis heute die wesentliche Idee, die dem Jugendherbergswesen zugrunde liegt.

Richard Schirrmann gilt gemeinhin als dessen Begründer. Im Sommer 1909 unternahm der Lehrer mit einer Gruppe von Schülern eine achttägige Wanderung von Altena im Märkischen Kreis nach Aachen. Überrascht von einem heftigen Regenschauer suchte die Wandergruppe Unterschlupf in einer Scheune, was ihr der Bauer jedoch verwehrte. Schließlich kam die Schülerschar in einer nahegelegenen Dorfschule unter. In dieser Nacht soll Schirrmann die Idee entwickelt haben, Unterkünfte zu etablieren, die für jeden Reisenden offen sind. Bereits 1912 wurde die erste Herberge mithilfe von Spendengeldern auf Burg Altena gegründet und in den folgenden Jahren zu einer ständigen Unterkunft erweitert. Es gab zwei große Schlafsäle für Gruppen und kleinere Zimmer für die mitreisenden Betreuer. Schirrmann selbst wurde dort der erste Herbergsvater.

Der erste Schlafsaal auf Burg Altena. © Fotoarchiv Stiftung Ruhr Museum

Die Idee stieß auf große Resonanz, weitere Gebäude wurden errichtet und umgebaut: Bereits 1921 gab es knapp 1.300 Jugendherbergen in Deutschland, 1928 waren es 2.200. Nach Schirrmanns Vorgaben sollten die Herbergen dem jeweiligen Heimatstil entsprechen – sprich: Die Architektur der Gebäude sollte sich der Umgebung anpassen.

Während des Nazi-Regimes wurde das DJH in die Hitlerjugend (HJ) eingegliedert. Die Jugendherbergen wurden unterschiedlich genutzt: um HJ-Gruppen und Schulklassen unterzubringen, als Schulungs- und Tagungsstätte, als Flüchtlingsunterkunft oder als Lager des Reichsarbeitsdienstes. Während des Krieges wurden die Herbergen zu Lazaretten und zu Kriegsgefangenen- oder Umsiedlerlagern umfunktioniert.

Immer noch Wandern – und vieles mehr

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Herbergswesen wieder aufgebaut – mit Unterstützung von Jugendbehörden und Besatzungsmächten. Von der einfachen Unterkunft für Schüler entwickelten sich die Herbergen im Laufe der Zeit zu Freizeitstätten für jedermann, mit besonderen Angeboten an Wochenenden und in den Ferien. Wie etwa in Nideggen: Beim Ausflug „Biberalarm“ zusammen mit einem Fachmann folgt man den Spuren des Bibers, der in der Eifel wieder heimisch ist. Wer es lieber kulturell mag, für den wird in Bochum der Besuch des Musicals „Starlight Express“ mit Übernachtung angeboten, denn die Herberge befindet sich direkt um die Ecke. Zwar werden die Herbergen im Rheinland nach wie vor von vielen Schulklassen besucht, aber auch Familien, Einzelreisende und Gruppen nutzen immer öfter die verschiedenen Angebote. „Viele Eltern schätzen unser Konzept: Sie können stressfrei mit ihrem Kind Urlaub machen, müssen nicht kochen und haben eine schöne Zeit zusammen“, berichtet Rath.

Auch Großeltern kommen mit ihren Enkelkindern hierher, um Zeit miteinander zu verbringen, denn alle Freizeitangebote sind generationenübergreifend. Und sie ermöglichen gemeinsame Aktivitäten, ohne dass man sich selbst um die Organisation kümmern muss.

Auch die Architektur hat sich weiterentwickelt und bietet Besonderheiten: Die jüngste ist die Herberge „Panarbora“, am Rande des Bergischen Landes in Waldbröl gelegen. Dort kann man in Baumhäusern übernachten und über einen Baumwipfelpfad spazieren. Die Anlage ist sogar für Rollstühle geeignet, wie übrigens die meisten Häuser heute.

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Die Übernachtung erfordert eine Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk.

Der Mitgliedsbeitrag beträgt pro Jahr für Einzelpersonen ab 27 Jahren sowie Familien, Ehepaare und eheähnliche Gemeinschaften (auch gleichgeschlechtliche): 22,50 Euro, Junioren (bis einschließlich 26 Jahre): 7 Euro.

Die Übernachtungspreise variieren je nach Jugendherberge, Freizeitangebot und Verpflegung. Die preiswerteste Übernachtung beginnt bei 17,50 Euro inklusive Frühstücksbuffet.

Service-Center der Jugendherbergen im Rheinland
Düsseldorfer Straße 1a
40545 Düsseldorf
Tel. 02 11 / 30 26 30

Tags: Reisen

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