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Ratgeber

Depression im Alter – Wenn jeder Tag nur noch grau trägt

Ines Nowack · 16.11.2023

Altersdepression ist behandelbar! Foto: Adobe Stock © Rido

Altersdepression ist behandelbar! Foto: Adobe Stock © Rido

Wann wird eine traurige Verstimmung zur Altersdepression? Welche Hinweise deuten auf eine psychische Erkrankung? Was unterscheidet sie von anderen Alterserkrankungen? Lesen Sie wichtige Adressen für Diagnose und Therapie in Köln.

Frau S., 76 Jahre alt, lebt allein, seit ihr Mann vor zwei Jahren verstorben ist. In ihrer Nachbarschaft kennt man sie als fröhlich, aktiv und hilfsbereit. Doch seit ein paar Wochen sieht man sie kaum, sie zieht sich zurück, bleibt daheim, wirkt bedrückt. Eine Freundin, die sich Sorgen macht, überredet Frau S., sich einem Facharzt vorzustellen. Der diagnostiziert eine depressive Episode und verordnet Antidepressiva und Psychotherapie. Frau S. erholt sich zunehmend. Wenige Wochen später kann sie ihre Aktivitäten wieder mit Energie, Lust und Freude aufnehmen. So könnte es im Optimalfall verlaufen.

„Eine gute Behandlung ist möglich und auch deshalb besonders wichtig, weil eine Depression auch Risikofaktor oder Frühsymptom einer demenziellen Erkrankung sein kann.“

Dr. Forugh Dafsari, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik Köln

Was unterscheidet eine Verstimmung von einer Depression?

Merkmale der Depression

Wichtig zu wissen ist, dass nicht jede niedergedrückte Verstimmtheit oder Episode der Trauer schon eine Depression ist. Solche Gefühle gehören zum Leben dazu. Aber ein sicheres Zeichen dafür ist, wenn die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen andauert oder immer häufiger auftritt. Oft ist sie mit Interessenverlust, Freudlosigkeit und Störungen von Schlaf und Appetit verbunden.

Von einer Altersdepression spricht die Medizin, wenn eine depressive Episode im Alter von über sechzig Jahren auftritt. Entweder zum ersten Mal oder erneut, nachdem bereits in früheren Jahren Symptome erlebt wurden. Depressionen zeigen sich im Alter oft anders als in jungen Jahren. Körperliche Symptome wie Übelkeit oder Schmerzzustände treten dann stärker in den Vordergrund, auch über Gedächtnisstörungen wird häufiger geklagt. Spätestens wenn immer wieder Selbstvorwürfe oder lebensmüde Gedanken auftreten, sollte man sich Hilfe suchen. Oft helfen in solchen Situationen Hinweise und Ermutigungen von Angehörigen und Bekannten.

Altersdepression ist behandelbar

Der Gang zum Hausarzt ist meist der erste Schritt. Er kann dann bei Bedarf an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überweisen. Denn dass Menschen bei Depression im Alter nicht mehr geholfen werden kann, ist ein weitverbreiteter Irrtum. Unlängst konnten ihn Forschende der Universitätsklinik Köln in einer deutschlandweiten, dreijährigen Studie deutlich widerlegen. Sowohl Schlafprobleme als auch Antriebsarmut, Appetitlosigkeit und die Lebensqualität lassen sich demnach bei betroffenen Menschen deutlich verbessern, wenn deren depressive Symptome nach wissenschaftlichem Stand der Medizin behandelt werden.


Hausarzt oder Hausärztin können helfen! Foto: Goodboy Picture Company / istockphoto.

Dr. Forugh Dafsari, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik Köln, Leiterin der Arbeitsgruppe „Depression im höheren Lebensalter“ und der Spezialambulanz für Altersdepression stellt heraus: „Wir konnten zeigen, dass eine Psychotherapie im höheren Lebensalter hochwirksam ist und enormen Einfluss auf die Lebensqualität von älteren Menschen hat. Diese positive Wirkung hält auch nach sechs Monaten an. Das zeigen unsere jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse. Mein ältester Patient ist 87 Jahre alt, und ich freue mich zu sehen, wie er mithilfe der Behandlung wieder neue Freude und Aktivität im Alltag entwickelt hat.“

Selbstverständlich sei eine gute medizinische Versorgung der Depression im Alter aber nicht, so die Medizinerin. Noch immer werde die Erkrankung gar nicht oder zu spät erkannt oder auch nicht spezifisch genug behandelt. Dabei ist sie neben Demenz die häufigste psychiatrische Erkrankung in der Altersgruppe über sechzig Jahre. Mit steigendem Alter nehme das Risiko sogar noch deutlich zu. Studien belegen, dass 7 bis 10 Prozent der über 75-Jährigen an einer Depression erkranken. Frauen trifft es dabei doppelt so häufig wie Männer. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer der Unerkannten und Unbehandelten.

Verwechslung mit anderen Erkrankungen

Leider werden depressive Episoden im höheren Lebensalter häufiger mit körperlichen Erkrankungen verwechselt, erklärt Dr. Forugh Dafsari. Dass Depressionen oft nicht erkannt werden, hat aber auch gesellschaftliche Gründe. Einschränkungen werden meist als typische Erscheinung des Alters hingenommen. Viel zu oft als normal angesehen und einer Altersbitternis zugeschrieben wird demnach, wenn ältere Menschen weniger am öffentlichen Leben teilnehmen, weniger Antrieb haben oder niedergestimmt sind. Das allein erklärt aber nicht, warum Menschen mit einer Depression im Alter medizinisch unterversorgt sind.


Einsam, traurig verstimmt oder depressiv? Foto: Fotolia © Gordon Grand_L

Einen Beitrag leisten lange Wartelisten für psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfen – auch in Köln. Bundesweit erhalten nur 5 Prozent der über 70-Jährigen eine Psychotherapie und bei den Hochaltrigen nur 1 Prozent, weiß Dr. Forugh Dafsari. Das verweist auf den hohen Bedarf, der durch die bestehenden psychiatrischen Angebote kaum aufgefangen werden kann. Auch niederschwellige Angebote der Sozialarbeit, für Tagesstruktur und Selbsthilfe fehlen oder sind nicht bekannt.

Auch Dr. Forugh Dafsari beklagt, dass viele Menschen mit einer Depression heute noch viel zu oft mit Beruhigungsmitteln behandelt werden, anstatt eine leitliniengerechte Therapie mit Antidepressiva, Psychotherapie oder in schweren Fällen auch mit Verfahren der Hirnstimulation zu bekommen. Sie ermutigt: „Eine gute Behandlung ist möglich und auch deshalb besonders wichtig, weil eine Depression auch Risikofaktor oder Frühsymptom einer demenziellen Erkrankung sein kann.“

Diagnose und Therapie

Diagnose und Therapie gehören wegen der gesundheitlichen Besonderheiten im Alter, wie der Berücksichtigung des Wechselspiels mit anderen Erkrankungen, der Medikamenteneinnahme und eines veränderten Stoffwechsels, in die Hände von Fachleuten. An Kölner Kliniken sind in der Vergangenheit eine Reihe von gerontopsychiatrischen oder Demenzambulanzen entstanden, die psychiatrische und psychologische Hilfen anbieten.

Ebenso bietet die Spezialambulanz für Altersdepression der Uniklinik Köln Diagnose und Behandlung einer Depression an. Sie arbeitet mit dem Zentrum für Gedächtnisstörungen der Uniklinik eng zusammen, um Patientenversorgung und Erforschung der Zusammenhänge der Erkrankung zu verbinden. „Lange hat die Wissenschaft die Depression im Alter vernachlässigt. Auf der Basis unserer Forschungsergebnisse arbeiten wir intensiv an der Verbesserung der Versorgung der Patienten und an neuen therapeutischen Möglichkeiten. Mit unserem Angebot können wir sie vor Ort schneller den Patientinnen und Patienten zugutekommen lassen“, so Dr. Forugh Dafsari.

Insbesondere die Isolationserfahrungen der Corona-Jahre haben gelehrt, dass auch Einsamkeit maßgeblich an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen beteiligt sein kann. Belastungsfaktoren, die Ängste schüren, reißen nicht ab: Ukrainekrieg, Klimawandel, Energiekrise und Inflation. Sie destabilisieren ältere Menschen zusätzlich. Doch auch im hohen Lebensalter kann es möglich sein, ein erfülltes Leben mit hoher Lebensqualität zu führen. Depression ist behandelbar. In jedem Alter.

Erste Anlaufstelle für Fragen, auch von Angehörigen, ist der Hausarzt.

Info-Telefon Depression für Betroffene und Angehörige
Krankheits- und behandlungsbezogene Informationen, Adressen zu Anlaufstellen im bestehenden Versorgungssystem.
Tel. 0800 / 334 45 33 (kostenfrei),
Sprechzeiten:
Mo, Di, Do 13–17 Uhr,
Mi, Fr 8.30–12.30 Uhr
Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention
www.deutsche-depressionshilfe.de

Telefonseelsorge
Tel. 116 123 (bundesweit)
Evangelisch: 0800 / 111 0 111
Katholisch: 0800 / 111 0 222

Spezialsprechstunde für Altersdepression
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln,
Tel. 0221 / 478-33 77,
Sprechzeiten: Mo–Do 13.30–15.30 Uhr,
E-Mail: altersdepression@uk-koeln.de
https://psychiatrie-psychotherapie.uk-koeln.de

Gerontopsychiatrische Zentren
Merheim, Tel. 0221 / 89 93-202
Chorweiler, Tel. 0221 / 789 90-444
Mülheim, Tel. 0221 / 606 08-500
Bilderstöckchen, Tel. 0221 / 17 07 08-700
www.klinik-koeln.lvr.de

Zentrales Beratungstelefon der Stadt Köln
für Senioren und Menschen mit Behinderung,
Tel. 0221 / 221-2 74 00,
www.stadt-koeln.de  (> Leben in Köln > Soziales > Senioren)

Weitere Informationen der Stadt Köln:

www.stadt-koeln.de > Leben in Köln > Gesund im Alter > Seelische Gesundheit (Informationen und Einrichtungen)

oder: > Gesundheit > Psychiatrie (umfassende Information zu psychischen Krisen, Psychotherapie und weiteren Hilfen)

Buchtipp:

Hilfe bei Depressionen
Der Ratgeber der Stiftung Warentest, liefert wichtige Informationen über die Ursachen der Erkrankung, die Behandlung und die Möglichkeiten der Selbsthilfe. Er informiert über die verschiedenen Formen und Ursachen von Depressionen, unterschiedliche Therapieansätze und Testergebnisse aller relevanten Medikamente.
Buch: 176 Seiten, Format: 16,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-7471-0669-3
20 Euro, kostenlose Lieferung
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Beide erhältlich auf der internetseite: https://www.test.de/shop/gesundheit-kosmetik/hilfe-bei-depressionen-sp0675/

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Tags: Leben im Alter , psychische Gesundheit

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